Sustainable Aviation Fuel (SAF): Was Unternehmen über die Zukunft des Fliegens wissen müssen
Sustainable Aviation Fuel soll ab 2030 das Fliegen für Unternehmen deutlich klimafreundlicher machen. Doch während SAF heute noch kaum verfügbar ist, schaffen EU-Vorgaben bereits jetzt neue Realitäten für Geschäftsreisen. Was bedeutet das für Travel-Budgets, Nachhaltigkeitsstrategien und die Reiseplanung? Ein Ausblick auf Chancen, Kosten und strategische Weichenstellungen.
Was ist SAF eigentlich?
SAF steht für Sustainable Aviation Fuel – nachhaltiger Flugzeugtreibstoff, der nicht aus fossilem Erdöl hergestellt wird, sondern aus erneuerbaren Rohstoffen. Die Bandbreite reicht von Altspeiseöl über Pflanzenreste bis hin zu synthetischen Kraftstoffen, die durch Power-to-Liquid-Verfahren aus CO₂ und erneuerbarem Strom entstehen.
Der entscheidende Vorteil: SAF kann wie herkömmliches Kerosin in bestehenden Flugzeugen eingesetzt werden – eine sogenannte „Drop-in“-Lösung ohne technische Modifikationen. Bei der Herstellung werden Rohstoffe genutzt, die zuvor CO₂ aus der Atmosphäre aufgenommen haben, wodurch über den gesamten Lebenszyklus bis zu 80% weniger CO₂-Emissionen entstehen als bei fossilem Kerosin.
SAF-Betankung.
Heute noch Vision, morgen schon Pflicht
SAF ist aktuell praktisch nicht relevant für den Geschäftsreise-Alltag. Der weltweite Anteil lag 2024 bei nur 0,7% des gesamten Flugzeugtreibstoffverbrauchs (Quelle: SAF: Es ist mehr als genug da - Blue Rocket). Selbst die Lufthansa Group, eine der weltweit größten SAF-Abnehmerinnen, setzte 2024 nur rund 20.000 Tonnen ein – bei einem Gesamttreibstoffbedarf von mehreren Millionen Tonnen (Quelle: Sustainable Aviation Fuel - Lufthansa Group).
Warum ist das so? SAF ist derzeit drei- bis fünfmal teurer als fossiles Kerosin, synthetische SAF-Varianten sogar bis zu zehnmal teurer (Quelle [PDF]: Lufthansa Group). Hinzu kommt die begrenzte Verfügbarkeit: Die global verfügbare SAF-Menge würde der Lufthansa Group nur für „knapp zwei Wochen“ Flugbetrieb reichen (Quelle: Lufthansa Group: SAF wichtigster Faktor für klimaneutrales Fliegen).
Gesetzliche Vorgaben schaffen neue Realitäten
Seit Januar 2025 gilt in der EU die ReFuelEU Aviation Verordnung – ein Wendepunkt für die gesamte Luftfahrt. Die Verordnung schreibt verbindliche SAF-Beimischungsquoten vor, die schrittweise steigen:
2025: 2% SAF-Anteil verpflichtend
2030: 6% SAF-Anteil (davon 1,2% synthetisches SAF)
2050: 70% SAF-Anteil (davon 35% synthetisches SAF)
Diese Quoten gelten für alle Flüge, die von EU-Flughäfen starten, und betreffen mehr als 95% des europäischen Luftverkehrs.
Gleichzeitig sind Airlines verpflichtet, mindestens 90% ihres jährlichen Kerosinbedarfs an EU-Flughäfen zu tanken – ein Mechanismus gegen günstiges „Fuel Tankering“ außerhalb der EU.
Produktionskapazitäten: Realistische Einschätzungen
Die gute Nachricht: Die SAF-Quote 2025 ist erfüllbar. Aus bereits bestehenden Projekten mit hoher Umsetzungswahrscheinlichkeit könnten 2030 rund 3,8 Millionen Tonnen SAF innerhalb der EU produziert werden – genug für die 6%-Quote (Quelle: Produktion und Nachfrage nach SAF / CENA). Weltweit soll die SAF-Produktion von 2,6 Millionen Tonnen 2024 auf 35 Millionen Tonnen 2030 steigen (Quelle [PDF]: CENA SAF-Outlook 2025–2030 - InnoFuels).
Deutschland plant für 2030 eine Produktionskapazität von 420.000 Tonnen SAF (Quelle: CENA SAF-Outlook). Die Lufthansa Group hat bereits Absichtserklärungen mit deutschen Produzenten unterzeichnet: Ab 2026 sollen 60.000 Tonnen SAF „Made in Germany“ am Standort Speyer produziert und direkt an das Frankfurter Drehkreuz geliefert werden.
Kritischer ist die synthetische SAF-Unterquote: Für 2030 sind in der EU nur 72.000 Tonnen e-SAF aus Projekten mit hohem Entwicklungsstatus absehbar – bei einem Bedarf von 620.000 Tonnen (Quelle: Produktion und Nachfrage nach SAF / CENA).
Strategische Relevanz für Entscheider
Warum sollten sich Führungskräfte heute mit SAF beschäftigen? Die Antwort liegt in der strategischen Vorbereitung auf unumkehrbare Veränderungen.
Berichterstattungspflichten kommen: Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen viele Unternehmen ab 2025 ihre CO₂-Emissionen aus Geschäftsreisen als Scope-3-Emissionen offenlegen. SAF bietet eine der wenigen messbaren Möglichkeiten zur direkten Emissionsreduktion im Luftverkehr.
Kostenentwicklung ist planbar: Die Lufthansa Group kalkuliert bereits mit SAF-Mehrkosten von 4,6 Milliarden Euro jährlich ab 2035 (Quelle [PDF]: Lufthansa Group). Selbst nach 2050 wird SAF laut Prognosen noch zwei- bis viermal teurer sein als herkömmliches Kerosin. Wer diese Entwicklung in der strategischen Planung berücksichtigt, kann Budgets rechtzeitig anpassen.
Wettbewerbsverzerrung durch EU-Regulierung: Flüge über europäische Drehkreuze werden durch SAF-Kosten verteuert, während Verbindungen über Istanbul, Doha oder Dubai ohne teure SAF-Beimischung günstiger bleiben (Quelle: Fit for 55 - Lufthansa Group). Das beeinflusst die Routenwahl und Airline-Partnerschaften.
Die Lufthansa Group zeigt den Weg
Als Vorreiter investiert die Lufthansa Group bis zu 250 Millionen US-Dollar in SAF-Beschaffung für die kommenden Jahre (Quelle: Lufthansa Group: SAF wichtigster Faktor für klimaneutrales Fliegen).
„Nachhaltige Flugkraftstoffe sind ein Kernelement unserer Nachhaltigkeitsstrategie. SAF ist der wichtigste Hebel, um die Luftfahrt schnell und auf Jahrzehnte hinaus zu defossilisieren“
Die Airline integriert SAF-Mehrkosten bereits in ihre Preisgestaltung: Lufthansa Cargo berücksichtigt steigende SAF-Kosten im Luftfrachtzuschlag und Corporate-Kunden können spezielle SAF-Programme buchen.
Praktische Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Budgetplanung anpassen: SAF-Mehrkosten werden ab 2025 automatisch in alle EU-Flüge eingepreist. Travel-Budgets sollten diese Entwicklung bereits jetzt berücksichtigen.
Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten: SAF-Buchungen werden von Airlines mit Zertifikaten dokumentiert. Das erleichtert die CO₂-Berichterstattung und unterstützt Nachhaltigkeitsziele.
Airline-Partnerschaften überprüfen: Airlines mit starken SAF-Programmen bieten Vorteile bei der Nachhaltigkeitskommunikation. Die Lufthansa Group ist hier bereits Marktführer.
Ausblick: Vom Nischenthema zur Notwendigkeit
SAF entwickelt sich von einer Technologie-Vision zu einer geschäftlichen Notwendigkeit. Die IATA strebt CO₂-neutrale internationale Luftfahrt bis 2050 an, wobei SAF laut Prognosen knapp zwei Drittel der notwendigen Emissionsreduktion beitragen soll (Quelle: Die Klimaschutzstrategie der Luftfahrt - Klimaschutz-Portal).
Die Herausforderungen bleiben groß: Eine Analyse warnt vor einer weltweiten SAF-Versorgungslücke bis 2030 (Quelle: Warum die Produktion von SAF nicht vorankommt - move4zero.de). Shell hat Anfang 2024 den Bau einer großen SAF-Produktionsanlage gestoppt – ein Zeichen für die wirtschaftlichen Unsicherheiten. Investoren zögern bei SAF-Projekten wegen ungünstiger Risk-Return-Verhältnisse und fehlender „Bankability“ (Quelle [PDF]: Hemmnisse und Herausforderungen zum Markthochlauf von SAF).
Trotzdem ist der Wandel unumkehrbar: Die gesetzlichen Quoten stehen fest, die Produktionskapazitäten wachsen, und der Markt nimmt Fahrt auf. Unternehmen, die heute strategische Weichen stellen, werden morgen handlungsfähiger sein.
SAF ist heute noch Zukunftstechnologie – aber eine Zukunft, die bereits begonnen hat und deren Zeitplan durch klare politische Vorgaben feststeht. Wer sich heute informiert und strategisch vorbereitet, investiert seine Zeit in die Handlungsfähigkeit von morgen. Denn während SAF aktuell noch kaum praktische Relevanz hat, wird es bereits in wenigen Jahren zum Standard im europäischen Luftverkehr – mit erheblichen Auswirkungen auf Kosten, Buchungsverhalten und Nachhaltigkeitsstrategien.